Wie ich zu dem wurde, was ich heute bin
Künstliche Trennung zwischen Leben und Schule aufheben
(1979 bis 1989)
Als Schulkind wollte ich nicht hinnehmen, Leben und Schule als zwei getrennte Dinge zu sehen. So habe ich jedem Lernstoff und jeder Lernmethodik einen Sinn unterstellt, der sich eben manchmal erst Jahre später erschließt – im Erwachsenenleben. Daher kommt meine Bereitschaft, Theorie auf Vorrat zu studieren, für die eventuelle spätere praktische Anwendung. Aufgrund des gestiegenen Angebots, bin ich da inzwischen sehr wählerisch geworden. Durch die Auflösung des Konflikts zwischen Schule und Leben in meinem Mikrokosmos wurde ich umso sensibler für den Widerspruch zwischen dem, was die Schulpädagogik offiziell beabsichtigte (anständige selbstdenkende Menschen fördern) und dem Verhalten der Lehrer (autoritäre, mitunter demütigende Interventionen). Als DDR-Kind nahm ich an, dass solche Widersprüche im Westen vom Markt wie von selbst eliminiert würden.
Die Magie der Märkte
(1989 bis 1992)
Zuerst wollte ich wissen, wie genau Marktwirtschaft funktioniert. Also las ich von meinem ersten Westgeld Wirtschaftswoche und Capital, aber auch trotzkistische Flugblätter, in denen verschiedene volkswirtschaftliche Theorien vorgestellt wurden. Aus Werbefernsehen und Serien hatte ich mir bereits Jahre zuvor ein Bild gemacht, wie sich „die westliche Konsumgesellschaft“ selbst beobachtet und inszeniert. Den ersten Agentur-Pitch sah ich in einem Film, in dem Heinz Erhardt einen Nudelfabrikanten spielte. Einblicke in das Innenleben einer Werbeagentur lieferten 1992 mir die ersten Folgen von GZSZ. Mad Man gab es damals nicht. Außerdem änderten sich sowieso meine Interessen.
Vom Interessenten über den Ignoranten zum Interessenten
(1992 bis 1997)
Mitte der Neunziger Jahre gab es drei Themengebiete, von denen für eine Zeit lang gar nichts mehr zu tun haben wollte: Wirtschaft, Werbung und Konsumkultur. Ich hörte noch nicht einmal mehr die Nachrichten. Kommerz war verpönt. Ich war „Independent, Kunst und Kultur“. Aber ich wollte auch an meine Zukunft denken: „irgendwas mit Wirtschaft“ als Pflicht und „irgendwas mit Soziologie/Psychologie“ als Kür. Die Schnittmenge bildete das damals noch neue Studienfach „Wirtschaftskommunikation“ mit dem Zusatznutzen „verstehen, wie diese Werbung funktioniert“. Zu dieser Zeit kannte ich keine einzige Werbeagentur namentlich und konnte mir auch nicht vorstellen, dass irgendeine davon mehr als 15 Mitarbeiter haben sollte. Und auch sehr bald verschob sich mein Fokus von der Werbung zur Faszination für das Thema „authentische Unternehmensidentität“. Was vorerst blieb, war der zielgerichtete Gestaltungswille: die Unternehmensidentität verändern wollen, attraktiver machen, „Corporate Brands“ erschaffen – Machbarkeitswahn ganz im Sinne betriebswirtschaftlicher Plan-Konzepte.
Vom Marketing-Mechanisten zum systemischen Organisations-Coach
(1997 bis 2012)
Als die „Experten für Firmenmarken“ glaubten wir, unseren Kunden zeigen zu können, wie sie mit uns gemeinsam ihr Unternehmen zielgerichtet umgestalten. Dann traten die ersten ungewollten Rückwirkungen auf: Die Organisation zeigte sich als eigenwillig. Was tun als Berater? Das Ego flüstert ein: Mehr Druck machen, damit wir am Ende zeigen können „Wir haben alles getan, um das Ziel zu erreichen. Wenn es jetzt nicht klappt, müsst ihr die Leute rausschmeißen, die ihre alten Besitzständen verteidigen.“ Nach und nach wurde mir klar, dass wir von Experten- auf Prozesssicherheit umzustellen haben. Unsere Aufgabe wurde es zunehmend, einen Transformationsprozess zu moderieren, von dem niemand weiß, wohin genau er führt. Dass dabei Unsicherheiten auszuhalten sind, gehört einfach dazu.
Was da alles passierte, steht hier.
Künstliche Trennung zwischen Leben und Schule aufheben. Reboot.
(2012 ff.)
Mein Unbehagen an der Trennung zwischen Leben und Schule sollte mich weiter verfolgen. Eigentlich verläuft diese Trennung zwischen Lernvorgabe und Lernerfahrung. Für gewöhnlich erfährt ein Schüler: „Meine Interessen und Bedürfnisse sind komplett was anderes, als die da wollen“. Die Lernvorgaben der Schule zeigen sich in ihrer Dreifaltigkeit als Inhalt („Lernstoff“), Lernmethodik („Belehrung“ und anschließender Übung mit vorgegebenen Erfahrungsziel) und Zeitraum (Lehr- und Stundenplan) und sind noch immer weitgehend statisch. Durch die permanent wiederholte Schüler-Erfahrung „das was ich hier lernen soll, hat nichts mit mir zu tun“ wird eine Trennung von Innen- und Außenwelt manifestiert und zu einem das ganze Leben prägendem Glaubenssatz. Wer diese Trennung verinnerlicht hat, praktiziert sie in der Gesellschaft und reproduziert sie somit faktisch. Diese Trennung ist aber nicht zwangsläufig. Sie ist umkehrbar.
Damit künftige Generationen nicht erst im Erwachsenenalter mit schmerzhaften Bewusstwerdungsprozessen konfrontiert werden, unterstütze ich die Initiative Schule im Aufbruch.