Marco Fischer von der Agentur Die Firma

Marco Fischer1. Wie stehen Sie zum Thema „Mitmach-Markenführung“?

In der Gründungsphase der ersten großen Werbeagenturen, Anfang des letzten Jahrhunderts, war Mitmach-Markenführung die Regel und eine schlichte Notwendigkeit. „Marketers“ wurden auf die Straße geschickt, um mit den potentiellen Kunden zu sprechen und herauszufinden, welche Produkte sie benötigen könnten und welche man verbessern sollte. Mit dem Siegeszug des Internets und dem Zeitalter der „Social Media“ sind wir wieder an dem Punkt angelangt, dass der Konsument nach seiner Meinung gefragt werden möchte. Fast hundert Jahre der Entfremdung und Distanzierung erzeugen nun aber bei manchen Marketingverantwortlichen den Eindruck eines Kontrollverlustes.

Doch das Gegenteil ist eigentlich der Fall. Marken haben gerade jetzt die einmalige Chance ihren starren und teilweise hohlen, oder mit Phrasen gefüllten Gebilden authentisches Leben einzuhauchen und die Marke stärker denn je „erlebbar“ und begreifbar zu machen. Das Mitmachen sollte man eher als Angebot an den Kunden begreifen, sich zu engagieren und zur Stärkung der Markengemeinschaft beizutragen. Diskussionen und die damit verbundene Herausbildung von Wahrnehmung, finden seit jeher ohne eine Markenführungsinstanz statt. Wichtig ist nur, dass eine Marke weiß was sie ist und was sie nicht ist (Differenzierung und Orientierung) und sich entsprechend verhält. Im Dialog gibt es dann genügend Möglichkeiten für eine gemeinsame Entwicklung, die Identifikation, Vertrauen und Nutzen für den Kunden erzeugt.

2. Nennen Sie bitte je ein Beispiel für souveräne und unsouveräne Markenführung.

Souverän bedeutet selbstbestimmt und unabhängig – das Gegenteil von Fremdbestimmtheit. Vielleicht wird das Mitmachen nur falsch interpretiert. Es geht nicht um Beliebigkeit oder falsch verstandene Basisdemokratie, sondern um Mut und Überzeugung.
Wer seinen Mitarbeitern, wie jüngst bei Porsche geschehen, den Zugang zu sozialen Plattformen wie Facebook oder Twitter am Arbeitsplatz verweigert und sich damit um die Möglichkeit bringt, authentische Stimmen am Markt zu etablieren, hat etwas nicht verstanden. Wer soziale Kanäle, wie die Deutsche Bahn, offensichtlich zu Werbezwecken bemüht und sich dort dann einem Diskurs über Stuttgart21 entzieht, hat noch weniger begriffen. Das sind jetzt vielleicht zwei große Namen, bei denen es leicht fällt zu kritisieren, aber auch bei den mittelständischen Unternehmen und vielen „Hidden Champions“ im B2B-Segment, herrscht Verwirrung und Unkenntnis über die Entwicklungen im Bereich der strategischen und insbesondere der digitalen Markenführung.

Als gutes Beispiel einer gesamtheitlichen Markenführung kann man Dell heranziehen. Jeder Kanal und jede Plattform fokussiert sich auf einen klaren Nutzen für die Kunden. Die zwei Aspekte Services und Sales stehen bei Dell im Mittelpunkt aller Aktivitäten, die hochgradig miteinander vernetzt sind. Dell hat als virtuelles Geschäftsmodell keine andere Chance als den Dialog mit den Konsumenten zu suchen, um die Kundenzufriedenheit auf einem hohen Niveau halten. In vorbildlicher Weise verfügt Dell auch über einen Think Tank der neue Kommunikationsformen und -kanäle testet und stetig weitere Möglichkeiten für den Austausch mit den Kunden bereitstellt.

3. Können sich Marketingmanager nur behaupten, wenn sie sich mit glasklaren Beweisen für den Erfolgsbeitrag des Marketing munitionieren oder sehen Sie noch einen anderen Weg?

Um noch einmal auf Dell zurückzukommen: dort werden Führungskräfte nach dem Net Promoter Score beurteilt und vergütet, d.h. der prozentuale Anteil der empfehlungsbereiten Kunden ist für Dell die relevante Währung. Das mag jetzt vielen extrem und natürlich amerikanisch erscheinen, wäre aber auch für deutsche Unternehmen, die neben ihren Produkten immer mehr Dienstleistungen und gesamtheitliche Lösungen anbieten, eine sinnvolle Richtlinie, zumal viele dieser exportorientierten Unternehmen auf internationalen Märkten präsent sind.

Welche Messgrößen auch immer zur Anwendung kommen, das Internet stellt interessante und zum Teil kostengünstige Ansätze zur Verfügung, die Wirksamkeit von Markenführung gerade auch unter qualitativen Aspekten zu beurteilen. Das Wort „qualitativ“ ist hier entscheidend, denn es unterscheidet sich konsequent von einer rein zahlengetriebenen Controlling-Sichtweise. Von daher sollte jeder Marketingverantwortliche sich damit befassen und daraus einen Nutzen für sich und sein Unternehmen ziehen. Denn die Messungen verdeutlichen nicht nur den Erfolg der Maßnahmen, sondern geben vor allem wertvolle Hinweise für die Weiterentwicklung des Angebotes und den Ausbau der Kompetenzen.

4. Wird es in 30 Jahren noch Marken geben oder sind Marken ein Relikt eines ausklingenden Zeitalters von Massenproduktion und Massenmedien?

Momentan lassen sich zwei Tendenzen beobachten, die verdeutlichen, dass es auch weiterhin Marken und Markenführung geben wird: Personen werden zu Marken und Marken werden persönlich.

Ein starker Charakter, der in der Öffentlichkeit bekannt ist, eignet sich bestens dazu, seine Werte und Attribute in eine Marke zu überführen, unter der dann vielfältige Angebote unterbreitet werden. Egal ob TV-Koch oder Millionenerbin, eine konsequente Markenführung fördert auch hier massiv den Absatz.

Im Gegensatz dazu werden abstrakte Marken aus der Anonymität befreit und personifiziert. Ob Unternehmensgründer wie Claus Hipp, oder Mitarbeiter wie Marcel Davis, die Personen hinter den Marken geraten in den Fokus und fördern die Authentizität der Marke. Wer langfristig an einem Beziehungsaufbau arbeitet, wer auch real eine Vermittlungskompetenz besitzt und eine emotionalisierende Geschichte erzählt, wird nachhaltig am Wert seiner Marke profitieren.

Das ist etwas ganz anderes als mit Testimonials oder Kunstfiguren zu arbeiten und zeigt welche differenzierten und individualisierten Ausprägungen Markenführung in Zukunft einnehmen kann.

5. Was geben Sie Ihren Kunden?

Aufmerksamkeit. Wer als Agentur oder Berater nicht erst einmal zuhört und genau hinschaut, wird das wichtigste hinter der Marke – ihre Persönlichkeit – nicht verstehen.

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Über Marco Fischer

Bereits vor dem Studium konnte Marco Fischer bei der Werbeagentur Leo Burnett Erfahrungen in der internationalen Markenbetreuung von Philip Morris und Procter & Gamble sammeln. Während des Kommunikationsdesign-Studiums an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden gründete er mit dem Designbüro „abnorm“ und dem ersten digitalen Ableger – die Agentur „netzspannung“ – die Vorläufer seines heutigen Unternehmens. Nach einer einjährigen Orientierungsphase in einer Fil- und Eventproduktion, bei der er u.a. für Kunden wie Adidas, Siemens oder Obi gestaltete und animierte, wurde 1998 die Agentur „Die Firma“ zusammen mit Partnern aus der Taufe gehoben. In seiner Funktion als Creative Director wurde Marco Fischer mit über 40 nationalen und internationalen Awards ausgezeichnet. Als Geschäftsführer zeichnet er sich heute vor allem für die Bereiche Creative Concept und strategische Beratung mit den Schwerpunkten digitale Markenführung und Social Media verantwortlich. Die Firma GmbH ist spezialisiert auf digitale B2B-Kommunikation und entwickelt innovative Lösungen für international tätige Unternehmen wie z.B. Bayer AG, Bosch Rexroth, Festool, juwi, Lufthansa Airplus, ProMinent, Strabag, oder Zimmer+Rohde.

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