Achtsames Unternehmersein
Wieviel Guthaben ist auf Deinem Karmakonto?
Ich hielt einmal einen Vortrag zu Gemeinwohlorientiertung bei einem regionalen Unternehmerclub. Mich überraschte der Konsens darüber, dass soziale und ökologische Probleme brennend seien und dass sich keiner der Anwesenden vor seiner Mitverantwortung drücken könne: Zustimmendes Nicken, als ich davon sprach, dass wir 4 Erden bräuchten, wenn alle Länder der Welt so konsumieren würden wie die USA und immerhin noch 2,5 Erden, wenn alle so leben würden wie in Deutschland. Das erlebe ich jedoch nicht überall so. Abgesehen von ganz sturen Leugnern des Klimawandels, gibt es noch diejenigen, die Verantwortung delegieren und die Haltung vertreten, sie könnten ja eh nichts machen, solange „die Großen“ so weitermachen wie bisher. Man selbst möchte „ja wohl keine Opfer bringen, solange nicht die da mit guten Beispiel voran gehen“. Solch ein Reaktionsmuster ist typisch für ein im Ego verhaftetes Bewusstsein. Bin ich mir hingegen der Verbindung mit anderen und der gemeinsamen Abhängigkeit vom Zustand unseres Planeten bewusst, dann ist es kein „Opfer“ das ich bringe, um dafür später einmal belohnt zu werden. Ich schone Ressourcen und bin freundlich zu meinen Mitmenschen (auch Fremden) aus tiefem inneren Bedürfnis im Jetzt und weil ich darum weiß, dass dies in der Summe Leid lindert und Freude mehrt. Karma ist eine Gewohnheit des Geistes, kein Konto.
Werte im Wirkkreis
In meinem Artikel „Wie groß ist Dein unternehmerisches Einzugsgebiet?“ unterschied ich unternehmerischen Ziel-, Zeit- und Wirkkreis. Globalisierung und Digitalisierung lassen kaum noch Wünsche offen, was unverschämt große Ziele und Echtzeit zum Nulltarif betrifft. Achtsamkeit im unternehmerischen Handeln bedeutet daher, die Wirkung seines Tuns im Blick zu haben: die Wirkung seines Unternehmens als Marke, Meinungsmacher; von sich selbst als Vorbild, politischer Akteur sowie seiner Produkte im Leben der Kunden. Dass wir Unternehmer als Investoren, Einkäufer, Arbeitgeber, Auftraggeber und Verkäufer, vielfältig mit anderen Menschen verbunden sind, ist nur schwer von der Hand zu weisen. Die Wahl in jedem einzelnen Feld: wo lasse ich mich nieder und wo nicht, bei wem kaufe ich ein und bei wem nicht, wen stelle ich ein und wen nicht, wen beauftrage ich und wen nicht, wem verkaufe ich und wem nicht, bei welcher Bank habe ich mein Geschäftskonto, auf welchen Kanälen werbe ich, auf welche Veranstaltungen gehe ich und in welchen Vereinen bin ich – ist keineswegs banal und beruht auf individuellen Werten. Da gibt es zum Beispiel einen Unternehmer, der mit Genussmitteln handelt und der großen Wert darauf legt, dass bei Einkauf und Verkauf Spaß und Smalltalk Raum haben. Autos, Boote, Sportereignisse und Feiern stehen wesentlich weiter oben auf der Agenda als der schonende Umgang mit natürlichen Ressourcen und Völkerfreundschaft. Werte bestimmen wo wir stehen, wie wir handeln und mit welchen Augen wir auf die Welt sehen. Ein wert- und somit ethikfreies wirtschaftliches Handeln ist nicht möglich. Die in der neoliberalen Volkswirtschaftslehre verbreitete These, Wirtschaft sei frei jeglicher Ethik, ist Selbstbetrug. Ethik befindet sich lediglich im blinden Fleck. Selbst die theoretische Figur des Homo Oeconomicus als egoistischer Nutzenmaximierer bestimmt über seine individuellen Werte, worin ein jeweiliger Nutzen bestehe, den es zu maximieren gelte. Auch selbst noch, wenn dieser Nutzen allein in einer Gewinn- bzw. Renditemaximierung besteht, deren Auswahl vor anderen Nutzen-Kategorien schon eine wertbasierte Selektion darstellt, so bestimmen in der wirtschaftlichen Praxis darüber hinaus wiederum Werturteile darüber, an welche Investition ein Marktteilnehmer maximale Renditeerwartungen stellt.
Bewusstes Beteiligt-Sein
Wirtschaft bedeutet mit anderen Menschen beteiligt zu sein. Dies in das Bewusstsein zu holen, ist für mich ein enormer Gewinn an Lebensqualität. Und wenn nicht Lebensqualität, was dann sollte der Sinn, der originäre Nutzen von Wirtschaft sein?
Achtsamkeit bedeutet auch, seiner Gefühle und Empfindungen gewahr zu sein und wachsam zu beobachten, was in dir vorgeht – im unternehmerischen Alltag, bei Entscheidungen, im Umgang mit Kunden und auch in Krisensituationen.
Im Netzwerk Achtsame Wirtschaft kann sich jeder der mag, gemeinsam mit anderen in Achtsamkeit üben und ohne Dogma auch über die Schwierigkeiten im Alltag austauschen: über das Arbeiten, den Umgang mit Geld und Ressourcen, Konsum und im Unternehmersein.