Der Like/Dislike-Button für jede Gelegenheit
Ein Gedankenexperiment zur Selbstorganisation gesellschaftlicher Gerechtigkeit
Handle stets so… kennen wir alle, oder?
Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn wir alle stets darauf achten, dass es jedem Menschen nach einer Begegnung mit uns mindestens genauso gut oder besser geht als vorher, dann erledigten sich viele gesellschaftliche Probleme von selbst. Dass das mit dem Besserfühlen nicht immer so klappt, wie geplant oder beabsichtigt, kenne ich aus eigener Erfahrung nur zu gut. Ich kenne aber eine Reihe von Menschen, die das ganz gut drauf haben. Wenn ich danach gefragt werde, ob ich den Wert eines Menschens bemessen würde und wenn ja, nach welchem Maßstab, dann wäre es die Gabe, Menschen im Kontakt ein gutes Gefühl zu vermitteln. Nicht das Bildungsniveau, nicht sein Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt, nicht die Steuerlast abzüglich staatlicher Transferzahlungen und auch nicht der Kontostand.
Digitales Karma-Konto
Auf Facebook haben wir den Like-Button, um kundzutun, ob uns ein Post, ein geteilter Beitrag oder ein Kommentar gefällt. Auf Youtube können wir Videos und die Kommentare dazu nicht nur liken, sondern auch disliken.
Nun beginnt das Gedankenexperiment: Wie wäre es, wenn wir jede menschliche Begegnung liken und disliken könnten? Stellt Euch vor, wir hätten alle einen Chip implantiert und könnten mit unseren Gedanken jeden Kontakt mit einem anderen Menschen auf diese Weise bewerten: Wenn wir in einen Bus einsteigen und der Busfahrer freundlich grüßt, wenn wir Behördenpost öffnen, wenn uns jemand im Straßenverkehr aufregt. Alle Likes bzw. Dislikes von Begegnungen, Eindrücken und Entscheidungen, die uns betreffen, würden gezählt und dem jeweiligen Menschen auf eine Art „digitales Karma-Konto“ zugewiesen.
Gefahr! Gefahr! Angst davor!
Auf dem ersten Blick würden auch Sunnyboys, charmante Betrüger und populistische Politiker grandios abschneiden, während alle, die undiplomatisch ehrlich sind und diejenigen die berufsbedingt unbequeme Botschaften zu übermitteln haben, schlecht abschneiden. Weitergedacht würde sich das wieder ausgleichen, da der Betrüger irgendwann doch auffliegt und es nachträglich Dislikes der Enttäuschten hagelt. Populisten müssten sich dem Realitätscheck stellen. Und ein Coach, der mir sagt, dass ich mein Unternehmen grundlegend ändern muss, wenn ich nicht pleitegehen will, bekäme nachträglich doch noch seinen Like für die Katastrophe vor der er mich bewahrt hat.
Dieses „digitale Karma-Konto“ könnte sogar Grundlage für ein Steuersystem sein. Jeder zahlt entsprechend seines Likes/Dislikes-Verhältnisses mehr oder weniger Steuern. Alle anderen Bemessungsgrundlagen würden abgeschafft. In der Konsequenz würde damit die Orientierung am Wohl anderer zum Leitfaden allen Handelns. Ehrenamt und Wohltätigkeit würden entlohnt, indem das „digitale Karma-Konto“ mit einem flexiblen Grundeinkommen gekoppelt wird. Meckerer, Pöbler, Brandstifter und Terroristen würden sich verschulden – könnten sich aber durch gute Taten rehabilitieren. Polizei, Justiz und viele andere Behörden könnten deutlich verschlankt werden. Technisch ist das ganze gar nicht so utopisch, datenschutzrechtlich sicher angreifbar und die Möglichkeit von Hackerattacken möchte ich an dieser Stelle gedanklich nicht fortsetzen.
Gerecht fänd‘ ich diese Idee allemal.