Unmöglich: Mit positivem Denken gegen negatives Denken ankämpfen
Ich erlebe viele schöne Momente mit meinen Klienten. Da kommen wir so richtig in den Flow, kreieren Zukünfte, schmieden Strategien und schreiben Ziele auf.
Und dann gibt es Momente, die sind richtig anstrengend: Da höre ich, was alles nicht geht – manchmal sehr subtil, sodass ich erst nach einer Weile merke, dass ich einem Fluss in die Enge gefolgt bin und dann selbst sage „So wie es aussieht, gibt es ja nur noch diesen einen Ausweg!“
Frequenzielle Schwingungslehre
Wenn ich dann anfange, mit positiven Denksprüchen das Gegenüber aus seiner Negativspirale rausholen zu wollen, wird das nicht funktionieren. Ich ernte bestenfalls zustimmendes Nicken, aber hinter der Fassade läuft: „Der hat gut reden, mir geht es richtig schlecht und jetzt darf ich mich hier noch nicht einmal ausheulen, so‘n Scheiß.“
Steht nicht in allen Lebenshilfebüchern sinngemäß geschrieben „Positive Energie ist stärker als Negative“ oder „Die Frequenz der Liebe schwingt höher als die der Angst und deshalb besiegt Liebe immer Angst.“?
Das stimmt. Aber positive oder besser gesagt „positivistische“ Lehrsätze aufgesagt und an jemanden gerichtet, der gerade im „Flow“ des negativen Denkens schwimmt, schwingt mit niedriger Frequenz, ist ebenfalls negatives Handeln.
Aggression des Positivismus
Die Ablehnung „positiven Denkens“, US-amerikanischer Selfmade-Millionärs-Lehrsätze und Motivations-Guru-Formeln beruht darauf, dass diese als Gewalt empfunden werden. Sie sind Übergriffe. Die Zwangsbeglückten empfinden so etwas als pure Abwesenheit von Liebe.
Ein positives „Ankämpfen“ gegen eine negative Haltung gibt es nicht. Dieses Ankämpfen ist vielleicht gut gemeint, aber gewalttätig, benutzt die Mittel und damit die Frequenz der Aggression: „Du erbärmlicher Negativdenker, weißt Du eigentlich nicht, dass Du nicht nur Dir selbst, sondern der ganzen Welt schadest mit Deiner unsäglichen Haltung?!“
Wie geht‘s richtig?
Das erste Gebot für jemanden, der einem anderen helfen möchte, negatives Denken zu überwinden, lautet: Erkenne an, dass Dein Gegenüber gerade so fühlt und denkt, wie er fühlt und denkt. Punkt. Verbinde Dich mit dem Gegenüber, ohne dessen Sichtweise zu übernehmen, aber schütze Dich selbst gegen die negative Energie. Das ist leichter gesagt als getan, denn sehr oft begegnet mir die negative Grundstimmung außerordentlich subtil. Schütze Dich, ohne die Empathie zu verlieren! Das ist die hohe Kunst, die auch die größten Erfolgsgurus nur teilweise beherrschen. Sie sind darauf auch nicht fokussiert. Sie trainieren lieber die Begeisterung von Massen. Der Einzelne interessiert da nicht.
Verführung oder Irritation
Ich kenne prinzipiell 2 Wege, einen „Turn“ aus der negativen Denkspirale beim Gegenüber zu evozieren: 1. Verführung und 2. Irritation.
Verführung geschieht auf emotionaler Ebene und verlangt Fingerspitzengefühl: Sie begeben sich gefühlsmäßig zuerst neben den anderen, sodass Sie als jemand akzeptiert werden, der sich 1:1 in ihn hinein fühlen kann. Dann sehen Sie auch, welchen Weg in eine konstruktive, handlungsorientierte Sicht auf die Situation der andere mitgehen würde und bieten sich als Lotse an – als Lotse für seinen ureigenen Weg.
Irritation funktioniert dann, wenn das Gegenüber selbst bereits eine nüchterne Distanz zu seiner eigenen emotionalen Befangenheit einnehmen kann und „eigentlich weiß“, dass sein Festhängen in der Negativspirale „falsch“ ist. Durch Irritation spiegeln Sie glaubhaft „Du weißt das längst und kannst das doch!“, allerdings auf eine für den Klienten ungewohnten Weise, sodass dieser eigene Ressourcen erkennt und mobilisieren kann. Das Irritierende daran ist die gänzlich neue Sicht auf sich selbst.
Anmerkung:
„Negativ“ und „Positiv“ sind Wertungen, die nur im oben skizzierten Zusammenhang Sinn machen.