Es gibt ihn doch: den Homo Oeconomicus
Nach meinen neuesten Erkenntnissen und Einsichten stelle ich fest: Der Mensch ist entgegen allen angeblich wissenschaftlichen Belegen der Hirnforschung doch ein Nutzenmaximierer.
Bis gestern war ich noch der Auffassung, es hätte sowieso niemals ein Mensch an die Existenz des Homo Oeconomicus geglaubt: Es sei schon immer nur ein abstraktes Modell für volkswirtschaftliche Theorien gewesen.
Ich konstatiere also hier und heute: Der Mensch ist stets bestrebt, seinen Nutzen zu maximieren – vorausgesetzt, man definiere Nutzen entsprechend weitläufig. Meiner Auffassung nach muss eine Nutzendefinition weitläufig sein, wenn sie denn für die praktische Ökonomie – beispielsweise einer anschaulichen Zielgruppenbeschreibung – brauchbar sein soll. Eine Nutzendefinition, die sich nur auf „Gewinnmaximierung in EUR auf exakt 1 Monat bezogen“ oder „Maximale denkbare Länge des Orgasmus“ wäre nutzlos.
Nutzen ist immer individuell und temporär unterschiedlich. Ebenso unsinnig ist ein Ausschluss von kurzfristigen Nutzen genauso wie eine Beschränkung auf einen „mit vernünftigen Argumenten rationalisierbaren Nutzen“ – was immer das sein mag.
Wenn jemand bei einer Party das Bedürfnis verspürt, sich jetzt unbedingt 5 g Koks für 900 EUR zu kaufen, dann maximiert er in diesem Moment seinen Nutzen. Wenn er sich dann aber doch für einen Wodka-Red Bull entscheidet, dann ist auch diese Entscheidung nach einer in jenem Moment abgewogenen Kosten-Nutzen-Erwägung getroffenen. Das Prinzip der Nutzenmaximierung sagt nichts über Nachhaltigkeit aus oder ob eine Entscheidung eine offizielle Instanz als „vernünftig“ bewerteten würde.
Ich halte zudem die Unterscheidung rational/emotional für unsinnig. Jede Entscheidung ist eine Gefühlsentscheidung. Reflexion und Bewusstheit, also Aktivität des Neokortex steht ja in keinem Widerspruch zu unbewussten Gehirnaktivitäten. Dass es noch immer Menschen gibt, die „Rationalität“ ideologisch überhöhen und als eine überlegene Abgrenzung („sich unabhängig machen“) von seinen emotionalen Regungen feiern, bedeutet nicht, dass das was sie „rational“ nennen, unabhängig von Gefühlen und unbewussten Gehirnaktivitäten ist. Es ist sehr wohl abhängig davon und dagegen können sie nichts tun. Sie können sich das allenfalls einreden und so etwas zu tun ist auch eine individuelle Nutzenmaximierung.
Ob man den Homo Oeconomicus nun als rationalen oder nur als einfachen Nutzenmaximierer bezeichnet, spielt daher keine Rolle. Rationalität ist immer und wo sie nicht da zu sein scheint, spielt sie sich unbewusst ab. Ich würde sogar behaupten, dass die unbewussten Entscheidungen nach unserem Alltagsverständis viel öfter rational sind, als die sorgfältig reflektiert abgewogenen und mit Nutzwert-Analyse-Tabellen getroffenen. Durch die vielen Seitenarme der Reflexion und Miterwägungen von möglichen Kollateralschäden schleichen sich viel häufiger Irrationalitäten ein. Aber das Irrationale ist genauso rational, nur dass die Argumente aus Sicht eines Beobachters eben nicht plausibel sind im Vergleich zum Rationalen.
Ich glaube, jetzt reicht‘s auch.