Was ich vom bedingungslosen Grundeinkommen halte
Nach langer Zeit der Skepsis zähle ich mich heute zu den Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens. Der hierzulande prominenteste Promotor ist zweifelsohne dm-Gründer Götz Werner, dem Kritiker wahlweise weltfremden Idealismus oder verschwörungstheoretisch verkappten Eigennutz vorwerfen. Seiner Kernbotschaft folgend geht es zuallererst um die Änderung der Denkrichtung von „Geld zum Lebensunterhalt gegen Arbeit“ zu „Geld zum Lebensunterhalt als Voraussetzung für Arbeit“. Transferleistungen in der Höhe eines avisierten Grundeinkommens werden bereits heute gezahlt: zum Teil direkt in Form von Sozialhilfe, ALG II und zum anderen Teil indirekt durch den steuerfreien Einkommensbetrag. Mit anderen Worten: Es würde nicht mehr Geld umverteilt als heute – eher weniger, denn die vielen Kostenstellen für Verwaltung und Kontrolle dieser Umverteilung entfielen.
Aber das wäre nur einer der Vorzüge der Bedingungslosigkeit. Der Verzicht auf den Nachweis von Bedürftigkeit entzieht gleichsam den Boden für Misstrauen, Betrugsverdächtigungen und schlechtes Gewissen. Es ist noch gar nicht zu ermessen, um welchen Faktor produktiver und effizienter unsere Gesellschaft wäre, wenn sich Menschen darauf konzentrieren könnten, das zu tun was ihnen Freude bereitet und worin sie eine Leidenschaft entwickeln können, anstatt Zeit und Energie in Rechtfertigungen, Beweisführungen, Verheimlichungen und falschen Selbstdarstellungen zu vergeuden. Freilich setzt eine solche Denkperspektive ein positives Menschenbild voraus. Und dieses ist verbunden mit einem positiven Selbstbild. Wäre ich Anhänger der X-Theorie, hätte ich Angst davor, ein bedingungsloses Grundeinkommen führe dazu, dass kaum mehr einer arbeiten würde. Interessanterweise nehmen sich alle Kritiker der Grundeinkommens-Idee selbst aus diesem Vorwurf heraus.
Druck und Angst erzeugen nicht mehr sondern weniger Leistung
Ein Blick auf die globale Wohlstandsverteilung beweist, dass Länder mit Raubtier-Verhältnissen zu den Ärmsten zählen, während kollegiale soziale Systeme ungleich mehr Wohlstand auf allen Ebenen erzeugen. Sozial-(pseudo)-darwinistische Anleihen aus dem Tierreich sind überholt und taugen höchstens als faule Ausrede für unfaires und kriminelles Gebaren. Der empirische Vergleich innerhalb der Menschenwelt genügt.
Ein Wegfall der Bedingung für Grundeinkommen würde für viele Menschen den Druck wegnehmen, gehasste (und daher im Output im übrigen höchst unproduktive) Arbeit verrichten zu müssen oder sich mit unnötigen Nachweisen nicht zielführender Bewerbungsaktivitäten herumzuschlagen. Solche Menschen wurden so leider über Jahre dazu konditioniert, nur etwas zu tun, „weil die Mächtigen das so sehen wollen“ – die Fortsetzung unseres völlig überholten Schulsystems mit scheinbar erwachsenen Mitteln. Menschen bleiben auf diese Weise unmündige Kinder, die es nie lernen, was es bedeutet, Fähigkeiten und Ressourcen für die Gesellschaft produktiv einzusetzen. Durch die Umstellung auf „Bedingungslosigkeit für eine Flatrate zur würdevollen Selbstversorgung“ würde daran freilich nicht von heute auf morgen etwas ändern, aber die Spirale der sich immer weiter pervertierenden Destruktivität wäre gestoppt. Statt dem Druck „Du musst was tun, damit Du ein Recht auf (würdiges) Leben hast“ entstünde ein Sog im Sinne von „Wenn Du mehr willst als Existenzminimum und Langeweile, dann entdecke Dich und Deine Fähigkeiten, sinnvoll an der Gesellschaft teilzuhaben.“ Es kommt vielmehr darauf an, wie verantwortungsvoll wir mit unseren Mitmenschen umgehen, dass wir ihnen etwas zutrauen. Dann lernen die Menschen, welches Glück es bereitet, zu geben, anstatt sich als notorisch Zu-kurz-Gekommene dauerhaft darauf einzurichten, abzufassen was es abzufassen gibt.
Steigerung von Produktivität statt Verbrauchskonsum
Mit dem Konzept zum bedingungslosen Grundeinkommen ist auch eine grundlegende Umstellung des Steuersystems verbunden: Alle Formen der Einkommenssteuer sollen abgeschafft werden, dafür würde die Umsatzsteuer deutlich erhöht: auf 50 % – was erst einmal sehr viel aussieht, jedoch in der Summe soll jeder Mensch nicht mehr Steuern zahlen, eher weniger – je nach Verbrauch. Letzteres ist ein aus meiner Sicht sehr bemerkenswerter Ansatz: Nicht mehr das Erbringen von Leistungen wird besteuert, sondern der Verzehr von Ressourcen. Produktivität wird belohnt. Verbrauch wird besteuert. Damit würde der Hebel der „Steuerung“ der Wirtschaft an der richtigen Stelle angesetzt: Destruktives Wirtschaftsverhalten zum Einsparen von Steuern wie das künstliche Verschlechtern des Betriebsergebnisses macht fortan keinen Sinn mehr. Es gäbe keinen Anreiz mehr, sinnlos zu konsumieren oder Kosten zu erzeugen. Es würde vielmehr sinnvoll und nachhaltig investiert, um die Produktivität zu erhöhen.
Der Artikel ist im Ansatz gut. Ein Grundeinkommen, bedingungslos ist notwendig!
50% Umsatzsteuer finde ich zu hoch und falsch. Zumal es bereits andere Steuern gibt! Mit der Forderung verwässern Sie die Forderung nach einem Grundeinkommen und geben Gegnern ein Argument! Das ist schade. Sonst hätte ich den Artikel geteilt. Ich befürworte ein Grundeinkommen, gleichzeitig muss gesagt werden, was mit jenen wird, die heute mehr ALG I bekommen, als das Grundeinkommen hoch wäre und niemandem wäre geholfen, wenn 50% Umsatzsteuer das Grundeinkommen auffräßen! Ressourcenschonendes Wirtschaften ist auch wichtig, sollte aber getrennt verhandelt werden und könnte mit Energiesteuern eher in den Griff zu bekommen sein, wenn diese vor allem für die Industrie gelten. Umsatzsteuern treffen den kleinen Mann und die kleine Frau und die sollen ja gerade entlastet werden. Wir sollten Schritt für Schritt agieren: Gemeinsam alle Energie in das Grundeinkommen stecken und mit der gewonnen Freiheit und Sicherheit und gesundem Selbstbewusstsein dann für eine Ressourcenschonende Wirtschaftsweise und weniger Konsum eintreten, so daß die Bezieher des Grubdeinkommens aber nicht be- sondern entlastet werden. Das setzte dann weitere Energien und Kreativität frei. Dann bin ich dabei.
Die 50 % Verbrauchssteuer sind nun keine Erfindung von mir. Lt. Götz Werner stecken die bereits umgelegt in den anderen Steuern mit drin, weshalb er auch betont, dass sich dadurch die Preise nicht erhöhen würden. Werner entgegnet damit gleich auch dem Gegner-Argument „Das lässt sich doch überhaupt nicht finanzieren“.
Ich sehe dann auch noch die offene Frage, wie sich das zum Thema Schwarzarbeit verhält. Wenn mir dazu etwas kluges einfällt, poste ich das 😉
Danke für diese rundum gelungene Beschreibung der Vorteile eines Bedingungslosen Grundeinkommens (bGE). – Das Sahnehäubchen ist dann noch die Erwähnung der Konsumsteuer, die genauso wie von Ihnen beschrieben ihre positive Wirkung entfalten kann.
Mit Grüßen
Thomas Oberhäuser
Ein toller Artikel mit ganz wichtigen Punkten, was das Bedinungslose Grundeinkommen anbelangt. In diesem Bereich muss sich dennoch noch einiges mehr tun, damit der Glaube daran auch noch bei viel mehr Menschen ankommt.