Multimediale Markenführung kleiner und mittlerer Unternehmen – ein Interview
Fragen von Bijan Peymani an Klaas Kramer
Wie gelingt Unternehmen – ungeachtet konkreter Produkte und Zielgruppen – in einer multimedialen Welt ein konsistenter Auftritt? Welche Bedingungen sind zu erfüllen?
Grundbedingung in der Markenführung ist – insbesondere der Führung von Unternehmensmarken – genau zu wissen, wer man ist und was der Kern dessen ist was man tut, also welchen Unterschied das Unternehmen für seine Kunden macht. Corporate Design und inhaltliche Aussagen über alle Medien und Anwendungsfälle hin zu überwachen, ist längst nicht mehr die Kernaufgabe der Markenführung. In einer multimedial vernetzten Welt haben Unternehmen ohnehin kein Monopol mehr über Inhalt und Form dessen, was gesendet wird: JAKO musste das vor Jahren schon erkennen, als das Unternehmen von einem Blogger als „Aldi unter den Trikotausstattern“ bezeichnet wurde. Mittlerweile werden auch Image-Videos von KMUs persifliert und auf Youtube verbreitet. Diese Tatsache gilt es erst einmal zu akzeptieren.
Welche Unterschiede bestehen diesbezüglich zwischen B2B- und B2C-Unternehmen? Welchem der beiden Segmente gelingt die Umsetzung in der Praxis besser? Warum?
B2C-Unternehmen sind i.d.R. weitaus erfahrener darin, über Medien zu kommunizieren. B2B-Unternehmen haben dagegen einen viel intensiveren Kundenkontakt. Markenführung erfolgt ja nicht nur über technische Medien, sondern drückt sich im Verhalten der Menschen aus: in erster Linie der Unternehmensleitung und dem Vertrieb, letztlich aber eines jeden Mitarbeiters. B2B und B2C können und sollten voneinander lernen. Gemeinsame Workshops zur Professionalisierung der Markenführung sind sehr produktiv und erfolgreich.
KMU reduzieren interne Markenführung oft aufs bloße Informieren und Incentivieren der Mitarbeiter. Das schafft Begeisterung, aber keine Ergebnisse. Warum nicht?
Meine Erfahrung ist da eine andere. Sicher haben Konzerne inzwischen ausgefeiltere Instrumente, ihre Mitarbeiter zu Markenbotschaftern zu machen. Fehlt es aber an echtem Unternehmensgeist, dann bringen auch noch so gute Tools keine nachhaltigen Ergebnisse. Unternehmenskultur braucht Substanz, sonst ist sie reine Phrase. Aber Substanz entsteht nicht durch einen ehrgeizigen Internal Branding Prozess innerhalb eines Jahres. Das braucht Zeit und Tiefgang. Viele KMUs, die schon Jahrzehnte auf dem Markt sind, haben diese Substanz noch.
Auch im Außenauftritt herrscht Verunsicherung, die neuen Medien bergen Chancen und Risiken für die Markenführung. Gilt für KMU „when a doubt, leave it out“?
Für konservative KMU-Unternehmer erscheint das, was sie von Social Media kennen, in der Tat als exhibitionistische Veranstaltung. Zumindest im B2C gilt aber: Nicht das Unternehmen entscheidet, ob es in diesen Medien vertreten ist, sondern das Publikum. Wer sich raushält, riskiert die Kontrolle total zu verlieren. Aber hier muss niemand etwas überstürzen: Ich empfehle, sich in Ruhe mit den Plattformen vertraut zu machen und seine eigenen Möglichkeiten zu entdecken, sie für sich zu nutzen.
Wie heben KMU denn sinnvollerweise das Potenzial der Multimedia-Welt für ihre Markenführung? Reicht nicht auch heute ein Webauftritt auf der Höhe der Zeit aus?
Wenn ein Webauftritt auf der Höhe der Zeit sein soll, ist er auch verknüpft mit Social Media Plattformen. Das ist übrigens allein schon für die Auffindbarkeit in Suchmaschinen empfehlenswert.
Wo können KMU Rat suchen, wenn sie sich bei der Markenführung im multimedialen Zeitalter überfordert fühlen?
Ein solcher Ratgeber muss sowohl etwas von Kommunikation und klassischer Markenführung verstehen als auch von den Funktionsweisen der Social Media Tools. Genauso wichtig ist ein gutes Einfühlungsvermögen für die Besonderheiten der jeweiligen Branche.
Wenn ein KMU doch externes Knowhow einkauft, was können Berater und/oder Agentur zum Markenführungsprozess zählbar beisteuern? Letztlich bleibt Marke doch Chefsache.
Die Aufgaben sind klar verteilt: Markenführung ist Chefsache. Berater können als Sparringspartner zur Klärung beitragen, für was die Marke inhaltlich steht und können gemeinsam mit dem Auftraggeber ein effektives Marken-Management-System implementieren. Agenturen übernehmen dann operative Dienstleistungen innerhalb der Markenkommunikation.
Welche Kosten verursacht das Engagement von Spezialisten?
Ich selbst habe als 1-Mann-Unternehmen Berater mit Tagessätzen zwischen 1.200 und 2.400 EUR beauftragt. Aber auch 8.000 EUR für einen Workshop mit fundierter Grundsteinlegung einer Marke sind 100mal sicherer investiert, als eine schleichende Geldverschwendung durch austauschbare Messeauftritte, Werbung, Broschüren und hohe Vertriebskosten, während eine gut geführte Marke automatisch neue Kunden zieht und nachhaltig bindet.
Beispiele gelungener Markenführung verbinden KMU oft mit satten Budgets. Ist eine starke Marke wirklich nur eine Geldfrage? Was können KMU von Konzernen lernen?
Das ist eben weit verbreitetes Missverständnis. Gelungene Markenführung spart Geld. Denn wer eine klare Marke kompetent führt, kann mit viel weniger Media- und Vertriebsaufwand wirkungsvoll die richtigen Menschen im Markt erreichen und mit ihnen effektiv kommunizieren. Schwache Marken müssen mehr und lauter brüllen, um wahrgenommen zu werden. Bei schwachen Marken ist zudem die Floprate von Kampagnen viel höher, weil Agenturen sich jedes mal erst Ideen aus den Fingern saugen müssen, die vielleicht im Markt Anklang finden.
Die Zeiten, in denen Marken wie Marlboro durch bloßes Zuplakatieren der Städte aufgebaut werden konnten, sind ohnehin vorbei. Eine starke Marke entspringt einer unternehmerischen Idee. Richard Branson hat Virgin aufgebaut, nicht weil er schon Milliardär war, sondern weil er kein Geld mehr hatte. Der Aufbau einer Marke und die Gründung eines Unternehmens sind ein und derselbe Vorgang.
Bitte illustrieren Sie ein aktuelles KMU-Beispiel für eine konsistente Markenführung – wahlweise B2B oder B2C. Woran machen Sie Ihr Urteil fest, was läuft hier richtig.
Der Europa-Park in Rust – von der Familie Mack geführt – illustriert einen experimentierfreudigen multimedialen und multisensorischen Umgang mit der Marke inklusive Markenkooperationen. Der Europa-Park zeigt, dass Marken in erster Linie mit dem Herzen geführt werden, wenn sie die Herzen der Menschen erreichen sollen. Tools und Medien sind nur Mittel und können niemals Führungskompetenz ersetzen.
Als B2B-Marke möchte ich baelz automatik nennen: Das Unternehmen ist einsamer Verfechter der Strahlpumpentechnik für die Steuerung der Wärmeversorgung und transportiert trotz oder gerade wegen seines konservativen Marketingverhaltens eine Authentizität, die Brancheninsider direkt im Herzen erreicht. Und das ist im B2B genauso wichtig wie im B2C.
Wie legen kleine und mittlere Unternehmen den Grundstein für eine konsistente Markenführung?
- Die Frage in 1 kurzem Satz beantworten: Wer sind wir und wofür ist das was wir tun gut?
- Was ist unsere Botschaft, mit der wir auf unserem Markt den Unterschied machen?
- Mit welchen Produkten, Worten und Handlungen vermitteln wir diese Botschaft?
- Welche Regeln, Standards und Routinen brauchen wir, um unsere Produkte, Worte und Handlungen im Sinne der Marke selbstähnlich zu halten?
Das Interview wurde im Vorfeld zum Artikel „Marke in Gefahr“ (erschienen in der acquisa 11/2012, Seite 16 ff.) geführt.