Widerspricht Souveräne Markenführung deutscher Mentalität? Teil 2

Kontrolle: Lust oder Last?

Warum ruft jemand nach Kontrolle? Der Grund ist meist ein gefühltes Defizit an Dominanz. Wer sich einer ausreichenden Gestaltungsmacht bewusst ist, fragt nicht mehr nach Kontrollinstrumentarien.

Weit verbreitet aber ineffektiv

Manche Manager wollen etwas unter ihre Kontrolle bringen, was sie niemals kontrollieren können: Verhalten von Käufern, Einstellungen zum Unternehmen, Gefühlsregungen in Gegenwart ihrer Marke. Was sie aber in jedem Fall unter direkter Kontrolle haben könnten, behandeln sie stiefmütterlich: ihr eigenes Verhalten, ihre Gedanken, ihre Glaubenssätze.

Wer seine Gestaltungsmöglichkeiten erweitern will, muss zuerst lernen, sich selbst effektiv zu managen. Der erste Schritt dorthin ist, sich über Entscheidungsmotive und eigene Ziele bewusst zu werden. Über einen besseren Einfluss auf sich selbst kann auch der Einfluss auf die Umwelt erhöht werden. Dieser Einfluss ist kein direkter, wie die mechanistischen Planungsmodelle der Betriebswirtschaft suggerieren. Er ist indirekt.
Souveräne Markenführung erweitert den Bereich des indirekten Einflusses. Unabhängige Akteure können systemisch per Intervention „beeinflusst“ werden – absichtsvoll, aber nicht gezielt.

Nimm Dich selbst wahr …und vergiss das mit der Mentalität.

Nehmen wir an – nur so als Gedankenspiel –, das Kontrollbedürfnis ist hierzulande sehr stark ausgeprägt: Nützt ein Mehr an Kontrolle deutschen Marken im internationalen Vergleich? (Rhetorische Frage) Ein Kontrollverlust in der Markenführung wird nicht etwa durch Social Media erzeugt. Er wird durch Social Media nur sichtbar gemacht. Die Liebe zu den „alten Medien“ scheint eine tief verwurzelte Romantik zu sein. Diese Liebe kann aber auch als unbefriedigtes Dominanzbedürfnis gelesen werden: das Zurücksehnen an eine Zeit, in der nur eine kleine Elite gedruckte und gefilmte Kommunikation veranlassen konnte. Der Anspruch auf ein Kommunikationsmonopol ist kein elementares menschliches Grundbedürfnis. Er ist höchstens Ausdruck eines unnatürlichen Machthungers.

Schweinchen Babe am Nordpol gehijackt

Tausende Social Media Berater wundern sich über die Zurückhaltung deutscher Unternehmen. Neuerdings machen einige von ihnen von der distanzierenden Redewendung der „neuen Sau, die durchs Dorf getrieben wird“ Gebrauch. Um bloß nicht als Trendguru gebrandmarkt zu werden?
Gepflegter Konservatismus scheint irgendwie en vogue zu sein.

Ein Buch wie Brand Hijack von Alex Wipperfürth wird in den USA ganz selbstverständlich von sehr vielen Brand Managern gelesen. Bei uns hätte es womöglich noch nicht einmal einer der renommierten Verlage angenommen. Ich wünsche mir mehr Entspannung und Gelassenheit. Machtverteilung in Social Media ist kein vorübergehender Trend. Allmächtiger Kontrollanspruch ist anachronistisch.

Jeder Unternehmer darf selbst entscheiden, ob er auf einer garantiert schmelzenden Eisscholle sitzen bleibt oder auf eine Rettungsinsel springt – mit einem kleinen Risiko, dabei im Wasser zu landen.

Posted via web from Klaas Kramer

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